Ganze zehn Stunden an zwei Tagen musste sich Facebook-Chef Mark Zuckerberg am Dienstag und Mittwoch den Fragen von Abgeordneten im US-Kongress stellen. Abgesehen von wenigen unsicheren Momenten, meisterte der 33-Jährige die Situation mit einer Mischung aus einstudierten Phrasen, vagen Aussagen und ausufernden Erklärungen gut. Jedenfalls aus Sicht seines Unternehmens. Fehltritte gab es ebenso wenig wie echte Erkenntnisse über den Datenmissbrauch durch Cambridge Analytica oder die generelle Datenschutzpraxis von Facebook.

Einige interessante Diskussionspunkte bleiben. Denn zwischen den Zeilen konnte man Hinweise auf die Strategie für Facebooks Zukunft erfahren. Und manche Aussagen von Mark Zuckerberg dürften den US-Kongress dazu verleiten, die Geschäftspraktiken des sozialen Netzwerks und seine möglichen Verstöße gegen frühere Verordnungen in den kommenden Wochen und Monaten genauer zu untersuchen.

1) Der europäische Datenschutz als Blaupause

Die neue Europäische Datenschutzgrundverordnung (DSGVO), die Ende Mai in Kraft tritt, tauchte in beiden Sitzungen erstaunlich oft auf. Mehrere Abgeordnete fragten Zuckerberg, ob die Änderungen, die etwa Nutzerinnen und Nutzern mehr Transparenz über die Weitergabe ihrer Daten auf Onlineplattformen gibt, auch weltweit von Facebook übernommen werden könnten. Schon vergangene Woche deutete Zuckerberg entsprechende Pläne an. Am Mittwoch im Repräsentantenhaus war die Aussage sogar noch eindeutiger: Ja, Facebook wolle auch Amerikanern den gleichen Datenschutz wie Europäern anbieten, sagte Zuckerberg. Kurz darauf relativierte er zwar wieder, aber strategisch ist der Plan clever: Facebook kann der US-Öffentlichkeit die ohnehin schon lange geplanten DSGVO-Änderungen erst einmal als große Datenschutzinitiative verkaufen – und damit im besten Fall neuer Gesetzgebung in den USA aus dem Weg gehen.

2) Künstliche Intelligenz als Lösung für (fast) alles

Immer dann, wenn es in den Anhörungen um Meinungsmanipulation, Hatespeech oder gefälschte Accounts ging, warf Zuckerberg das Buzzword künstliche Intelligenz (KI) in den Sitzungssaal. In "etwa fünf bis zehn Jahren" verfüge man über Software, die Hatespeech sicher erkennen kann, inklusive "linguistischer Nuancen". Eine Prognose, die manche Experten zum jetzigen Zeitpunkt bezweifeln. Schon heute würden 90 Prozent der Propaganda des "Islamischen Staates" (IS) und der Al-Kaida von Maschinen identifiziert und gelöscht, sagte Zuckerberg. Die Erwähnung von KI vor den Abgeordneten war klug: Der Begriff beinhaltet zwar viel und klingt schlau, sagt an sich aber wenig aus. Was Zuckerberg den Politikern verschwieg: KI auf Basis von maschinellem Lernen, neuronaler Netze und Mustererkennung benötigt riesige Datensätze und Algorithmen, die selbst die Entwicklerinnen und Entwickler nicht immer nachvollziehen können. Sollte so eine Art von Software eines Tages tatsächlich plattformweit eingesetzt werden, dürften neue Probleme und die nächste Transparenzdebatte folgen.

3) Zuckerberg weiß nichts von Schattenprofilen

An einer Stelle am zweiten Tag der Anhörung wurde es interessant, als der Abgeordneter Ben Luján den Facebook-Chef nach der Existenz von Schattenprofilen befragte. So werden mutmaßliche Datensammlungen von Menschen bezeichnet, die zwar kein eigenes Facebook-Konto haben, aber deren Informationen etwa über Adressbücher von anderen Nutzern oder über Browser-Cookies dennoch auf Facebooks Servern landen. Die Frage, ob Zuckerberg wisse, was ein Schattenprofil ist, verneinte dieser. Gleichzeitig sagte er, Daten von Nicht-Facebook-Nutzern würden "aus Sicherheitsgründen" erhoben. Eine Absurdität erwähnte Luján kurz vor dem Ende seiner Redezeit noch: Nämlich eine Hilfeseite, die Nicht-Nutzern zuerst vorgibt, ihre Daten einsehen zu können, dann aber auf einen aktiven Facebook-Account verweist. "Das müssen wir ändern", sagte Luján. Die Tatsache, dass Facebook Menschen im Internet identifizieren kann, ohne dass diese einen Facebook-Dienst aktiv selbst nutzen, dürfte in den kommenden Wochen noch eine wichtige Rolle spielen. Zumal diese Praxis bereits 2013 in der Kritik stand.